ANARCHIVIEREN

BILDPUNKT / Zeitschrift der IG Bildende Kunst – Heftpräsentation am 25.11.2011 um 20 Uhr

Jeder Kanon schafft Ausschlüsse, alles Sammeln ist ein Privileg. Das Archiv ist einer der Orte, an und in dem diese politisch problematischen Prozesse stattfinden. Viele küstlerische Arbeiten der letzten Jahre haben sich ihnen gewidmet. Das Archivieren ist aber auch ein Um- und Neusortieren, das Installieren anderer Ordnungen. Es ist ein Aufheben, an dem Hegel seine Freude gehabt hätte, d.h. es bewahrt und schafft zugleich ab. Für den Zusammenhang von Kunstproduktion und sozialen Bewegungen stellt sich die Frage, was verwahrt und gescützt werden muss von der eigenen Geschichte, was muss überhaupt wie zum „Eigenen“ gemacht werden und was sollte oder müsste sich einer Überschreibung oder Umschichtung ausetzen?

Mit dem Themenschwerpunkt „anarchiviern“ ragt der BILDPUNKT nach herrschaftskritischen Verfahren – die vereinende Vorsilbe wie in Anarchie, der Abwesenheit von Herrschaft, deutet darauf hin – der bewahrenden Aneignung und damit auch der Frage nach küstlerischen Erinnerungs- und Geschichtspolitiken

Infos zu BILDPUNKT

elektronische Ausgabe der zuletzt erschienenen Hefte im Volltext

eine gemeinsame Veranstaltung der IGBILDENDEKUNST, des Archivs der sozialen Bewegungen / Wien und der Bibliothek von unten

Gender und Häuserkampf

Buchpräsentation und Diskussion am 15.11.2011 um 20 Uhr

Die Autor_innen zeichnen in dem Buch „Gender und Häuserkampf“ die Diskussionen und Diskurse im Zusammenhang von Gender- und Häuserkämpfen von 1969 bis 2010, mit Schwerpunkt BRD und Westberlin, nach. Die „Politisierung des Privaten“ als wichtige Errungenschaft der 68er- FrauenLesbenbewegung, führte zu einem Wandel der Betrachtungsweisen der Geschlechterverhältnisse innerhalb der radikalen (anti-autoritären) Linken, der Autonomen und der Häuser-Szene. Der „private“ Lebensbereich des Wohnens wurde zum Austragungsfeld der Neuverhandlung der Geschlechterverhältnisse. Insbesondere die Felder der Reproduktionsarbeit, des Rollenverständnisses und des alltäglichen Sexismus in allen seinen Facetten, der Liebesbeziehung sowie sexualisierte Gewalt, Definitionsmacht/Definitionsrecht bestimmten und bestimmen den Frame der bis heute andauernden Auseinandersetzungen und Konflikte.
Insbesondere Wohnprojekte, Kommunen und kollektive Gemeinschaften besetzter oder ehemals besetzte Häuser und Wagenplätze werden da zum Spiegelbild dieser Auseinandersetzungen, Debatten, Diskussionen und Konflikte. So war eine sich entwickelnde eigenständige Organisierung autonomer FrauenLesben immer auch als Reaktion auf vorhandene sexistische Strukturen in den Häusern zu verstehen gewesen. Räume bzw. ganze Häuser/Wagenplatze wurden ausschließlich von FrauenLesben-QueerTrans sowie Tunten besetzt. 1973 in Frankfurt/Main wurde das erste Haus ausschließlich von Frauen besetzt. Die ab den 90er Jahren sich entwickelnden dekonstruktivistischen Debatten um Genderidentität, mit ihren Diskursen um Queer, Intersexualität, Transsexualität und Transgender, die sich auch in einem Teil der Häuserszene widerspiegeln, haben mit der Infragestellung der heteronormativen Geschlechternormen und der Geschlechterbipolarität u.a. zu einer Aufweichung festgefügter Kategorien wie Mann und Frau geführt. Die Abschaffung patriarchaler Strukturen und sexistischer/homophober Verhaltensweisen, also der entscheidenden Frage nach Macht und Dominanz, jenseits gewählter oder zugewiesener oder nicht „existenter“ Geschlechtsidentitäten, bleibt nach wie vor ein elementares Anliegen emanzipatorischer, herrschaftsfreier Politik – insbesondere in Häusern/Wagenplatzen und sogenannten Freiräumen.
amantine: „Gender und Häuserkampf. Genderspezifische Aspekte und anti-patriarchale Kämpfe in den Häuserbewegungen in der BRD und Westberlin“, Unrast Verlag, 2011

eine gemeinsame Veranstaltung der Rosa Antifa Wien und der Bibliothek von unten

Und wir bewegen uns noch

Buchpräsentation mit Robert Foltin am 28.10.2011 um 20.00 Uhr

Im ersten Buch „Und wir bewegen uns doch“ zeigte Robert Foltin, dass es in Österreich in den drei Jahrzehnten nach 1968 radikale Bewegungen gegeben hat. In der Fortsetzung wird das Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende nachgezeichnet: eine neu auftauchende Hausbesetzer_innenbewegung, queer-feministische Aufbrüche, antirassistischer und antifaschistischer Aktivismus, außerdem zunehmende Auseinandersetzungen um die Nutzung des öffentlichen Raumes in der Stadt. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten diese Bewegungen mit „unibrennt“ im Herbst 2009. Gerade im Jahr 2011 haben sich die Bedingungen weltweit noch einmal verändert, überall sehen wir neue Aufbrüche: der „Arabische Frühling“, Krisenproteste in Griechenland und Wisconsin, die „Empörten“ in Spanien, aber auch Großdemonstrationen in Graz.

Robert Foltin stellt sein Buch vor, das die Bewegungen des 21. Jahrhunderts in Österreich nachvollzieht. Anschließend soll über das diskutiert werden, was uns in Zukunft an Veränderungen und emanzipatorischen Entwicklungen erwarten könnte.

Robert Foltin: Und wir bewegen uns noch. Zur jüngeren Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich, Reihe kritik und utopie, Mandelbaum, 2011, ISBN: 978385476-602-5